Home Session 2022 Vorsicht Falle: Wahlen und Satzungsänderungen bei Online-JHV können nicht gültig sein!

Vorsicht Falle: Wahlen und Satzungsänderungen bei Online-JHV können nicht gültig sein!

Vorsicht Falle: Wahlen und Satzungsänderungen bei Online-JHV können nicht gültig sein!

Am 21. Januar 2022 hat das Landgericht Stendal mit einem überraschenden Urteil für großes Aufsehen in der gesamten Bundesrepublik gesorgt: Die 3. Zivilkammer hat in einem Rechtsstreit einer Partei mit einem (Noch-)Mitglied eine herbe Niederlage einstecken müssen. Dabei kann das Urteil, sollte es in der angekündigten Berufung Bestand haben, eine Auswirkung auf das gesamte Vereinswesen in der Bundesrepublik Deutschland in der Covid-19-Pandemie haben!

Kurz zum Sachverhalt, welches zum Urteil geführt hat: Eine Partei wollte einem (Noch-)Mitglied eine Aussage per einstweiliger Verfügung untersagen lassen. Hierfür hat der auf der letzten, rein online durchgeführten, Mitgliederversammlung gewählte Vorstand der Partei den entsprechenden Antrag bei Gericht eingereicht. Dieser Antrag wurde aber vom Gericht als unzulässig zurückgewiesen. Das Gericht stellt fest, dass die im Rubrum des Antrag genannten Vorstandsmitglieder die Partei nicht wirksam vertreten können und damit die Partei nicht prozessfähig ist. Man beruft sich hierbei auf § 56 Abs. 1 der ZPO.

Warum ist dies der Fall?

Das Gericht erklärt, dass die antragstellenden Vorstandsmitglieder nicht wirksam ins Amt gewählt worden sind und daher die Partei nicht im Prozess vertreten oder überhaupt Klage erheben dürfen.

Und jetzt wird es interessant:

Zitat aus dem vorliegenden Urteil: „§ 5 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) ermöglicht zwar die Ausübung von Mitgliedsrechten in digitaler Form. In §5 Absatz 4 Satz 3 GesRuaCOVBekG wird jedoch ausdrücklich klargestellt, dass dies nicht für die Beschlussfassung über Satzungen und die Schlussabstimmung bei Wahlen gilt. Somit hätte die Vorstandswahl […] regulär stattfinden müssen, gegebenenfalls nach §5 Absatz 4 Satz 4 GesRuaCOVBekG wahlweise zeitlich versetzt an verschiedenen Orten als Urnenwahl oder als Briefwahl.“

Da keine der beiden Wahlmöglichkeiten erfolgt ist, war der rein digital erfolgte Wahlvorgang nicht wirksam und führte im folgenden Fall dazu, dass nicht der neu gewählte Vorstand, sondern der Gründungsvorstand der Partei weiterhin im Amt verbleibt. Die Mitglieder des Gründungsvorstands haben aber die betreffende Partei nach der Neuwahl des Vorstands geschlossen verlassen.

Was bedeutet dies für Karnevals- und alle anderen Vereine (sowie Gesellschaften, Genossenschaften und Stiftungen)?

Wir haben mit mehreren Juristen über die Sachlage gesprochen. Alle sind unabhängig voneinander der Auffassung, dass die Jahreshaupt- bzw. Mitgliederversammlungen grundsätzlich Gültigkeit haben, wenn diese entweder ausschließlich online oder als so genannte „Hybrid-Veranstaltungen“ (ein Teil online, der andere Teil vor Ort anwesend) durchgeführt werden. Sobald jedoch bei diesen Versammlungen Vorstandswahlen oder Satzungsänderungen beschlossen worden sind, gibt es ein (Rest-)Risiko, dass diese nicht gültig sein könnten, sofern die Wahlen bzw. Satzungsänderungen nach der Jahreshauptversammlung nicht durch einen Urnengang (z. B. in der Geschäftsstelle des Vereins über einen Zeitraum X) oder per Briefwahl bestätigt wurden!

Noch einmal zur Klarstellung: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig! Ob es in einer weiteren Instanz Bestand hat, wird man sehen. Die aufgeführten Gründe des Gerichts für die Zurückweisung des Antrags auf eine einstweilige Verfügung sind aber für die befragten Juristen nachvollziehbar. Sollte der gewählte Vorstand (oder die beschlossene Satzungsänderung) nicht gültig sein, ist weiterhin der bisherige, abgewählte Vorstand im Amt und es gilt die letzte gültige Satzung des Vereins.

Anmerkung: Im oben entschiedenen Fall hatte das Urteil weitreichende Folgen für die Partei – die beiden Vorstandsmitglieder, die nicht wirksam gewählt worden waren, haben die Partei zwischenzeitlich verlassen und das Amtsgericht Stendal entscheidet in den nächsten Tagen über die Bestellung eines Not-Vorstands, der dann eine neuen Mitgliederversammlung einberufen muss …