Am gestrigen Abend fand im Dr.-Hans-Köster-Saal in Pulheim der traditionelle Vorstellabend des Karnevalsverband Rhein-Erft statt. In gut viereinhalb Stunden präsentierten sich 15 Programmpukte den Literaten, Programmgestaltern und Vereinsverantwortlichen aus dem Rhein-Erft-Kreis und dem nahen Umland. In diesem Jahr gab es zwei, drei musikalische Highlights – und gerade bei den Tanzgruppen die ein oder andere echte Überraschung. Doch dazu später mehr …
Fangen wir mal mit den Rednern an. Derer gab es drei – und alle drei waren, salopp gesagt, für die Tonne! Frank Friederichs machte bei den Rednern als „Ne Spätzünder“ den Anfang – und bot die schlechteste Rede seiner gesamten Karriere! Das war gar nix. Wir hoffen mal inständig, dass diese Rede nicht seine Sessionsrede war. (War sie nicht, wissen wir mittlerweile …) Mit alten Witzen aus facebook wird das nämlich nix. Sonst wird der Shooting-Star der letzten Sessionen zum Meteoriten und verglüht in der (karnevalistischen) Atmosphäre. A pro pro Athmosphäre: Vera Passy als „Et Vünkchen“ sah auf der Bühne in ihrem Alufolien-Kleidchen aus wie eine Silvesterrakete kurz vorm Start. Aber auch diese Rakete war ein Rohrkrepierer! Was Passy den Jecken da vorschwafelte, hatte weder Hand noch Fuß. Und dazu kommt noch eine nervige Stimmlage. Die Krönung des rednerischen Fiaskos war aber „Oma Helga“ (Foto). Daniel Thelen, bis zum Sommer noch beim Zwiegespräch „Woosch und Wööschje“ aktiv, versuchte sich in der neuen Type. Sorry, aber mit zusammenhanglosem Geschwafel und Witzen drei Kilometer unter der Gürtellinie reißt man niemanden von den Stühlen! Als die „Oma Helga“ auf der Bühne stand, leerte sich dann auch der Saal merklich …
Werfen wir mal einen Blick auf die musikalischen Darbietungen: Thomas Junggeburth, Partyschlagersänger aus Bergheim, ist zwar mit seinen Liedern auf Straßenfesten ein Programmpunkt mit Stimmungsgarantie – auf karnevalistischen Bühnen haben die bayrisch-österreichischen Klänge von „Mädche treck de Brill us“ nix zu suchen. Da passt der Song „Ich bin wirklich total schüchtern, egal ob leicht beschwippst oder nüchtern“ schon besser – aber der ist „geklaut“ … oder neudeutsch „gecovert“. Die ehemalige Schülerband Q3 mag zwar frischen Wind in die kölsche Musikszene bringen – aber auch hier gilt: Nix für die Karnevalsbühnen! Da hilft auch der eigene weibliche Fan-Club nix, der jedes Lied feiert wie einen Hit der „Rolling Stones“ …
Josephine Ohly ist die Tochter des Literaten des Karnevalsverband Rhein-Erft, Raphael Ohly – und dadurch wohl gesetzt. Sie bietet seit einigen Jahren einen guten musikalischen Durchschnitt. Kein Top-Act, aber auch nichts für die großen rheinischen Bühnen in Köln, Bonn oder Dü-Dü-Dü-gegenüber von Neuss. Ihre Lieder sind gut produziert und auch die Einlagen mit der E-Geige können sich sehen lassen. Ohly hat sich ihre Berechtigung auf den Bühnen mit Leistung hart erarbeitet. Pläsier (Foto rechts) sind hingegen seit Jahren auf den großen Bühnen des Rheinlands gern gesehene Gäste. Die drei Mädels und drei Jungs bieten eine solide musikalische Leistung und haben auch schon den ein oder anderen kleineren Hit im Programm. Bei Pläsier ist Stimmung garantiert – wenn die Technik mitspielt, was bekanntlich im Pulheimer Köster-Saal seit Jahren ein Problem ist. Da wird dann schon mal heftig übersteuert und es kommt Soundbrei aus den Boxen. Aber vielleicht lag das gestern am Ersatz-Tontechniker, denn der Haustechniker war erkrankt und es musste kurfristig ein Ersatz gefunden werden …
Der nächste musikalische Programmpunkt war … na ja … mit einigen Vorschußlorbeeren angekündigt worden: Beim „Kölsche Band Musik Kontest“ belegten sie den zweiten Platz und im Oktober spielen sie beim Finale des GAG-Musikwettbewerbs im Gloria. Doch wer gestern Abend die „kölsche Soul-Band“ Vrings 5 (gesprochen: Vrings Five) gehört hat, muss sich ernsthaft fragen, wer da nicht richtig zugehört hat! Wenn man im Pressetext der Band liest, dass man sich an der Musik der Bee Gees, Jackson 5 (ach daher der Name …) und James Brown orientiert, weiß man sicher, dass sich da gerade an diversen Gräbern der verstorbenen Bandmitglieder der genannten Bands heftige Szenen abspielen müssen – da rotieren die Särge in der Erde in Höchstgeschwindigkeit! Einmal abgesehen davon, dass das Outfit von Frontmann „Tim Talent“ an einen frühen Guildo Horn erinnert, erinnert das Outfit der Band an eine soziale Einrichtung in der Annostraße … auf das musikalische Talent muss man da nicht weiter eingehen, das ist nämlich eher gering.
Bezeichnend ist daher, dass eines der musikalischen Highlights aus einem Dorf stammt, wo man Möbelpolitur als Bier verkauft: Die Wimmer Band hatte bemerkt, dass der Saal-Sound wieder einmal für die Tonne war – und baute ihre eigene Anlage auf. Der Sound war gut (nicht brilliant, aber besser wie bei allen anderen musikalischen Darbietungen bisher) und auch die Lieder der fünf Jungs konnten sich hören lassen. Ein klarer Daumen nach oben – auch wenn es (noch) nicht für die großen Säle bei den traditionsreichen Gesellschaften in Köln reichen wird. Aber die Band ist ja noch jung …
Die nächste Band ist nicht wirklich jung. Auch wenn man sich erst seit Ende 2022 wieder auf die karnevalistischen Bühnen traut, nach ein paar Jahren Pause: Die Altreucher (Foto) sind wieder da! Und ja, die fünf Jungs um Frontmann Volker Dahmen machen da weiter, wo man 2018 aufgehört hat! Auch hier wurde die eigene Anlage aufgebaut, der Sound war gut. Die Band konnte mit ihren Liedern den mittlerweile stark dezimierten Saal begeistern – und im Vorfeld sagte uns Volker Dahmen beim kurzen Plausch, dass man mit den Buchungen für die kommende Session zufrieden sein kann: „Es geht natürlich immer mehr, aber für die Kürze der Zeit, in der wir wieder aktiv sind, können wir sehr zufrieden sein!“, so Dahmen. Hoffen wir mal, dass noch die ein oder andere Buchung dazukommt. Verdient hätten es die Jungs!
So, damit hätten wir einen Großteil des Vorstellabends abgehakt. Wenn das alles gewesen wäre, dann wäre es sicherlich ein vernichtendes Urteil gewesen … Redner Totalausfall, musikalisch viel Durchschnitt … aber es gab ja noch die Highlights des Abends: Die Tanzgruppen!
Zur Eröffnung des Vorstellabends und als Hintergrund für eine verdiente Ehrung marschierte das Korps der Bergheimer Torwache auf. Mit Korps, Tanzpaar und Damentanzgarde bietet die Bergheimer Torwache ein Traditionskorps auch für die kleineren Bühnen. Tänzerisch kommt man an die großen Tanzkorps natürlich nicht ran, da fehlt die Manpower (bzw. die Womenpower). Aber zur Eröffnung einer Sitzung, warum nicht? Im Rahmen des Auftritts wurde der neue Schatzmeister des Karnevalsverband Rhein-Erft, Uwe Krause aus Leverkusen, für seine langjährigen Verdienste um den rheinischen Karneval (Krause ist im Leverkusener Karneval lange Jahre quasi der „Kuckelkorn von Leverkusen“ gewesen – und das als Chef eines Energieunternehmens …) mit dem Verdienstorden des Bund Deutscher Karneval in Gold mit Brillianten – und damit einem der höchsten karnevalistschen Verdienstorden Deutschlands – ausgezeichnet worden. Gratulation!
Kommen wir nun zur faustdicken Überraschung des Vorstellabends: Im Dezember 2022 treffen sich ein paar junge Damen aus einer Karnevalsgesellschaft aus dem Kölner Umland und beschließen: Wir gründen eine Tanzgruppe! Man schaut sich um, findet weitere interessierte Damen – und sogar ein paar Herren, die bereit sind, ihre Freizeit für den karnevalistischen Tanzsport zu opfern. Man beginnt mit dem Training – und vor vierzehn Tagen präsentiert man sich zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Von 23 Tanzgruppen, die an diesem Tag um die vier Plätze für die Teilnahme am gestrigen Vorstellabend kämpfen, wird man – ÜBERRASCHUNG! – Zweiter! Gestern dann der zweite große öffentliche Auftritt … und, ja, da müssen sich demnächst einige Tanzgruppen aus Köln ganz warm anziehen! Die Tanzgruppe „Mühlenstürmer“ der K.G. Stommeler Buure trägt ihren Namen zu Recht! Und eigentlich müssten sie „Bühnenstürmer“ heißen! Was die 27 Mädels und die „drei Hähne im Korb“ auf die Bühne bringen, ist im Bereich Synchronität schon fast magisch! Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn diese Tanzgruppe – die noch kein Jahr alt ist – nicht in den nächsten zwei, drei Jahren auch die große Kölner Bühnen stürmen würde … aber sehen sie selbst:
Schon etwas länger als die „Mühlenstürmer“ ist die Tanzgruppe „Himmlich Jeck“ der K.G. Gemütlichkeit Kerpen auf den Bühnen des Rheinlands zu finden. Und auch hier stellt sich die Frage, warum eine solche Tanzgruppe, die in allen Bereichen (Choreo, tänzerische Darbietung und Akkrobatik) mit den Kölner Tanzgruppen durchaus mithalten kann, mal nicht auf eine der großen Kölner Bühnen gebucht wird? Man kann sich, glaube ich, vorstellen, was es für die Mädels und Jungs bedeuten würde, einmal im Gürzenich, im Maritim, im Kristallsaal oder auch nur im Sartory ihre tänzerischen Darbietung präsentieren zu dürfen … aber schauen sie selbst, ob sie es verdient hätten:
Den anderen Weg bestreitet die Tanzgruppe „Winzer und Winzerinnen vun d´r Bottmüll“ der K.G. Alt-Severin: Man kommt aus Köln und möchte sich in den umliegenden karnevalistischen Hochburgen im Rhein-Erft-Kreis (und darüber hinaus) präsentieren. Die „Winzer und Winzerinnen“ waren vor einigen Jahren mal kurz vor der Auflösung, haben sich dann aber in den vergangenen Jahren wieder gefangen und sind zu alter Stärke angewachsen. Tänzerisch bewegt man sich im oberen Drittel, ist aber von den Kölner Top-Tanzgruppen noch etwas entfernt. Gerade im akkrobatischen Bereich muss man ggfs. noch etwas aufholen, aber vielleicht ist es auch gewollt, dass man sich nicht in den Wettkampf „Höher, weiter, gefährlicher“ einbringen will:
Als letztes Tanzkorps präsentierte sich das Tanzkorps „Rheinflotte“ der Große Ehrenfelder K.G. „Rheinflotte“. Das Tanzkorps, dass seine Heimat – neudeutsch „Homebase“ – im benachbarten Leverkusen hat, wird in der kommenden Session volljährig. Auf den großen Bühnen des rheinischen Karnevals, besonders in Köln und Leverkusen, ist man natürlich bereits angekommen und macht sich dort seit Jahren einen Namen. Und da die Auftritte in Köln nicht mehr werden, schaut man halt auch mal über den Tellerrand und geht in die umliegenden Kreise. Das Video des Auftritts der Rheinflotte ersparen wir uns, den gibt es dann zum Sessionsauftakt und der Geburtstagsfeier im November 2023 …
Das war der erste Vorstellabend der Session. Unsere Berichterstattung von den Vorstellabenden ist hiermit beendet! Nach über sechs Monaten krankheitsbedingtem Ausfall haben wir gestern mal getestet, ob gesundheitlich alles hält. (Bevor die Frage kommt: Ja, es hat alles gehalten!) Wir werden nun den Oktober noch einmal eine (geplante) Pause einlegen, damit im November 2023 – zum Start der neuen Session – kein ungeplanter Ausfall erfolgen kann. Man sieht sich also ab November 2023 wieder. Bis dahin „klauen“ wir uns den Spruch des neuen Präsidenten des Karnevalsverband Rhein-Erft, Wolfgang Schreck, mit dem er gestern die Tanzgruppen von der Bühne verabschiedet hat:
„Ihr habt getanzt, ich habe getrunken.
Abmarsch, Klatschmarsch, frohes Fest!“
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